Karte der Zerstörung in Pforzheim nach Angriff 1945 - Historisches Ereignis

Luftangriff auf Pforzheim 1945 – 23. Februar 1945, 22 Minuten, die alles veränderten

Am 23. Februar 1945 wurde Pforzheim in nur 22 Minuten nahezu vollständig zerstört. Mit 17.600 Toten erlitt die Stadt den höchsten relativen Bevölkerungsverlust im alliierten Luftkrieg gegen deutsche Städte.

Der Luftangriff auf Pforzheim

Am 23. Februar 1945 wurde Pforzheim in nur 22 Minuten nahezu vollständig zerstört. Mit 17.600 Toten erlitt die Stadt den höchsten relativen Bevölkerungsverlust im alliierten Luftkrieg gegen deutsche Städte.

Ausgangslage und Kontext

Die Situation vor dem Angriff und die technischen Details

Zeit & Ablauf

Der Luftangriff erfolgte am 23. Februar 1945 um 19:45 Uhr und dauerte etwa 22 Minuten. Insgesamt waren 379 britische Bomber der Royal Air Force beteiligt, die 1.575 Tonnen Bomben abwarfen, darunter Sprengbomben, Brandbomben und Luftminen.

Ausmaß der Zerstörung

Das Ausmaß der Zerstörung war verheerend: 98% der Innenstadt wurden zerstört, und 17.600 Menschen verloren ihr Leben, was 31,4% der Bevölkerung entsprach. Pforzheim erlitt damit den höchsten relativen Bevölkerungsverlust im gesamten alliierten Luftkrieg gegen deutsche Städte.

Vorherige Angriffe

Kleinere Angriffe 1944–45, u.a. am 1. April 1944, Heiligabend 1944, 21. Januar 1945. Bis Februar 1945 blieb Pforzheim von größeren Angriffen weitgehend verschont.

Gründe und Motive – unterschiedliche Sichtweisen

Die verschiedenen Interpretationen und Begründungen für den Angriff

Militärisch-industriell

Pforzheim galt laut RAF-Unterlagen als Zentrum der Schmuck- und Uhrenindustrie, die auf Rüstungsproduktion (v.a. Zünder für Flak, V1, V2) umgestellt war. Die dezentrale Zünderproduktion war über die gesamte Stadt verteilt, und der Bahnhof sowie die Nachschublinien machten Pforzheim zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Die RAF beschrieb die Situation mit den Worten "Fast jedes Haus eine Werkstatt", was Pforzheim aus militärischer Sicht zu einem legitimen Ziel machte.

Strategisch-psychologisch

Die Angriffe folgten der britischen "Area Bombing Directive" (1942) zur Demoralisierung der Zivilbevölkerung. Pforzheim war bewusst als "leicht entflammbares Ziel" ausgewählt worden, da die vielen Fachwerkhäuser eine hohe Brennbarkeit aufwiesen. Diese Strategie des "Morale Bombing" zielte darauf ab, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren und kann als symbolischer Vergeltungsakt verstanden werden.

Historisch-komparativ

Pforzheim wird häufig in Analogie zu Dresden (Februar 1945) und Gernika (1937) genannt. Diese Parallelen zu anderen Städten, die durch Flächenbombardement zerstört wurden, führten zur Städtepartnerschaft Pforzheim–Gernika. Die "Gernikabrücke" in Pforzheim erinnert an diese Verbindung und das gemeinsame Schicksal beider Städte.

Verlauf und Folgen

Der Ablauf des Angriffs und seine verheerenden Auswirkungen

Der Angriff

Um 19:45 Uhr ertönte der Luftalarm, fünf Minuten später fielen die ersten Bomben. Drei Wellen von je ca. 100–120 Bombern griffen mit kurzen Pausen an. Die Kombination aus Spreng- und Brandbomben führte zu einem Feuersturm mit Temperaturen über 1.000 °C. Die Wasserversorgung brach zusammen, und viele Menschen erstickten in Kellern, da keine ausreichenden Bunker vorhanden waren.

Das Ausmaß der Zerstörung

260 Hektar Stadtfläche betroffen, in der Innenstadt nahezu 100% zerstört. Kirchen, Schulen, Krankenhäuser, historische Gebäude vollständig vernichtet.

Friedrich Adolf Katz, 1945: "Nicht ein einziges Haus mehr bewohnbar in der ganzen Stadt"

Opfer und Statistik

Die Bevölkerungsentwicklung zeigt das Ausmaß der Tragödie: Bei der Volkszählung 1939 hatte Pforzheim ca. 79.000 Einwohner, Ende 1944 waren es noch ca. 66.000. Durch den Luftangriff am 23. Februar 1945 verloren 17.600 Menschen ihr Leben, weitere 12.647 wurden als vermisst gemeldet. Insgesamt starben durch alle Luftangriffe auf Pforzheim ca. 20.300 Menschen, was der höchsten Opferquote aller deutschen Städte entspricht und 31,4% der Bevölkerung ausmachte.

Die Zerstörung erstreckte sich über 260 Hektar Stadtfläche, wobei die Innenstadt nahezu zu 100% zerstört wurde. Historische Gebäude, Kirchen, Schulen und Krankenhäuser wurden vollständig vernichtet.

Nachkriegszeit und Erinnerungskultur

Der Wiederaufbau und die Erinnerung an die Opfer

Wiederaufbau

Der Wiederaufbau begann in den 1950er Jahren mit einer modernen Stadtplanung, die auf breite Straßen und autogerechte Verkehrsführung setzte. Eine Rekonstruktion der historischen Altstadt fand nicht statt. Die Trümmer der zerstörten Stadt wurden auf den Wallberg aufgeschüttet, der seither als "Monte Scherbelino" bekannt ist und als Mahnmal an die Zerstörung erinnert.

Gedenkkultur

Seit 2003 ist der 23. Februar offizieller Gedenktag der Stadt Pforzheim. Die Erinnerungskultur umfasst Stelen und Gedenkstätten im gesamten Stadtgebiet, Gottesdienste und Glockenläuten am Jahrestag. Die Städtepartnerschaft mit Gernika symbolisiert die transnationale Erinnerung an die Zerstörung durch Flächenbombardement und das gemeinsame Schicksal beider Städte.

Wallberg - "Monte Scherbelino"

Der Wallberg wurde zum Trümmerberg aus den Überresten der Stadt und ist heute ein wichtiges Mahnmal. Die Partnerschaft mit Gernika entstand als transnationale Erinnerung an die Zerstörung durch Flächenbombardement.

Historische Bewertung – differenzierte Perspektiven

Die verschiedenen Sichtweisen auf den Luftangriff

Militärisch-strategisch

Die militärisch-strategische Argumentation für den Angriff basierte auf der Zerstörung von Produktionsstätten für Zünder und Präzisionsmechanik sowie der Unterstützung der alliierten Bodenoffensive. Nach heutiger Forschung wird diese Begründung jedoch als überzogen bewertet, da die tatsächliche militärische Relevanz Pforzheims gering war.

Moralisch-psychologisch

Die moralisch-psychologische Perspektive sieht das Ziel des Angriffs in der Demoralisierung der Bevölkerung durch maximale Zerstörung urbaner Räume. Diese Sichtweise entspricht der britischen "Area Bombing"-Doktrin und wird heute oft als moralisch problematisch oder als Kriegsverbrechen diskutiert.

Humanitär-historisch

Aus humanitär-historischer Sicht steht der Luftangriff auf Pforzheim mit 17.600 Toten in nur 22 Minuten als einer der schlimmsten Angriffe des Zweiten Weltkriegs für das Leid der Zivilbevölkerung und die Grenzüberschreitung moderner Kriegführung.

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