Wallberg Pforzheim – Historische Bedeutung als militärische Beobachtungsstation
Der Wallberg in Pforzheim-Brötzingen: Historische Bedeutung als militärische Beobachtungsstation während des Ersten Weltkriegs, Fliegerwache, Steinbruch und beliebtes Ausflugsziel mit Panoramablick.
Der Wallberg in Brötzingen
Der Wallberg in Brötzingen ist ein künstlich aufgeschütteter Hügel, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern der zerstörten Stadt Pforzheim entstand. Er dient heute als Mahnmal für die Kriegsfolgen und bietet einen beeindruckenden Panoramablick über die Stadt und die umliegende Region.
Die Erhebung oberhalb des Brötzinger Ortskerns erreichte früher eine natürliche Höhe von 378 Metern. Während des Ersten Weltkriegs war der Wallberg Standort einer Fliegerwache, einer militärischen Beobachtungsstation zur Luftverteidigung. Die strategische Lage des Wallbergs machte ihn zu einem idealen Standort für die frühzeitige Erkennung feindlicher Fliegerangriffe.
Diese Aufnahme stammt aus dem Ende des 19. Jahrhunderts beziehungsweise dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Man erkennt das Café Sinzenich auf der Kuppe des Wallbergs sowie auf den Wallberghängen die Kombination aus verschiedenen Fluren, die das charakteristische Landschaftsbild dieser Zeit prägten.
Wallberg Brötzingen, Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert
Fliegerwache auf dem Wallberg 1916
Militärische Beobachtungsstation
Die Aufnahme zeigt eine militärische Beobachtungsstation auf dem Wallberg aus dem Jahr 1916. Fünf Männer sind zu sehen, die mit Ferngläsern und Gewehren ausgerüstet sind, sowie zwei große Geschütze auf Rädern. Das Gebäude im Hintergrund mit seinem charakteristischen Turm diente als Beobachtungsposten für die Luftverteidigung.
Historische Bedeutung
Der Wallberg war Standort einer Fliegerwache („Fliegerwade" im OCR), die feindliche Fliegerangriffe rechtzeitig erkennen und melden sollte. Nach dem ersten Angriff auf Karlsruhe am 15. Juni 1915 wurde die Fliegerwache am Wallberg ausgebaut und erfuhr einen weiteren Ausbau.
Historische Karte
Diese historische Karte von 1898 zeigt die Lage der Fliegerwache auf dem Wallberg. Die Karte ist mittig auf die Koordinaten der Fliegerwache ausgerichtet.
Funktion im Ersten Weltkrieg
Warnsystem
Anfangs bestand der Alarm nur aus ununterbrochenem Läuten der elektrischen Großfeuerglocken. Später wurde ergänzt: bei akuter Gefahr auch das Abschießen schwerer Signal-Bomben. Der Unterschied zum Großfeuer-Alarm: Fliegeralarm = durchgehendes Geläut; Großfeueralarm = unterbrochenes Läuten.
Bedrohungslage
Nach den Angriffen auf Karlsruhe rechnete man ernsthaft mit Luftangriffen auf Pforzheim. Die französische Presse („Libre Parole") forderte sogar explizit, Pforzheim als industrielles Zentrum Badens zu bombardieren, um „den französischen Handel zu rächen".
Rolle im Stadtleben
Die Fliegerwache auf dem Wallberg war also ein zentrales Frühwarnsystem für die Stadt. Es war aber schon damals klar, dass die Erkennung dort zu spät kommen könnte, um die Bevölkerung effektiv zu schützen.
Fliegerwache 1915
Militärische Einheit am Wallberg
Diese Aufnahme aus dem Jahr 1915 zeigt eine militärische Einheit am Wallberg während des Ersten Weltkriegs. Die Soldaten sind mit Kanonen und Gewehren ausgerüstet und dokumentieren die militärische Präsenz auf dem Wallberg in dieser Zeit.
Geschichte des Wallbergs vor dem Ersten Weltkrieg
Weinbau am Wallberg
Vom 15. bis ins 19. Jahrhundert wurde am Südhang des Wallbergs Weinbau betrieben. Urkunden aus dem Jahr 1450 berichten von ausgedehnten Weingütern der Herren von Rüppur am Wallberg. Schlechte Ernten und die Konkurrenz besserer Weinbaugebiete brachten den Weinbau schließlich zum Erliegen. In den ehemaligen Weinbergen wurden daraufhin Obst und Beeren angepflanzt.
Steinbrüche am Wallberg
In mehreren Steinbrüchen am Wallberg wurde bis 1933 Muschelkalk abgebaut. Die Steinbrüche prägten das Landschaftsbild des Berges und lieferten wichtiges Baumaterial für die Region.
Beliebtes Ausflugsziel
Schon vor dem Krieg war der Wallberg ein beliebtes Ausflugsziel. Als Aussichtspunkt bot er den Blick über die Pforzheimer Innenstadt, die drei Täler und die angrenzenden Gemeinden. Von den Terrassen der Lokale reichte die Aussicht bis zu den Schwarzwaldbergen.
Nach einem Besuch des Wallbergs kehrte man traditionell ins Café-Restaurant Grimm oder ins 1925 eröffnete Höhencafé Sinzenich ein. Diese Gastronomiebetriebe machten den Wallberg zu einem wichtigen gesellschaftlichen Treffpunkt.
Zweiter Weltkrieg und Zerstörung
Militärische Nutzung im Zweiten Weltkrieg
Am Südhang eines stillgelegten Steinbruchs wurde 1938 ein größerer Bunker der Wehrmacht gebaut. Dieser wurde 1945 gesprengt. Im Zweiten Weltkrieg diente der Wallberg erneut als Flugabwehrstellung, ähnlich wie bereits im Ersten Weltkrieg als Fliegerwache.
Der verheerende Luftangriff vom 23. Februar 1945
Am 23. Februar 1945 traf der vom nationalsozialistischen Deutschland ausgelöste Zweite Weltkrieg Pforzheim mit voller Wucht. Bei einem verheerenden Luftangriff wurde die Stadt in weniger als 20 Minuten fast völlig zerstört. Mehr als 18.000 Menschen starben. Über zwei Drittel der Stadt wurden zerstört.
Wallberg nach 1945
Aufschüttung mit Trümmerschutt
Ein großer Teil des Trümmerschutts der zerstörten Stadt wurde nach Kriegsende im Brötzinger Tal deponiert. 1952 wurde mit der Verfüllung eines stillgelegten Steinbruchs an der Nordwestseite des Wallbergs begonnen. Bis 1965 wurde der Wallberg mit ca. 1,65 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt und Aushub von Baugruben auf insgesamt 417,5 Meter Höhe aufgeschüttet. Damit wurde der Berg um fast 40 Meter erhöht.
Gestaltung der Wallbergkuppe
Die Wallbergkuppe wurde 1966/67 auf Grundlage eines Gutachtens des Landschaftsarchitekten Prof. Alwin Seiffert aus dem Jahr 1959 gestaltet. Der Berg sollte mit seiner kahlen Kuppe als eine von Menschenhand geschaffene Landschaftsplastik erkennbar und ein Mahnmal für die Kriegszerstörung sein. Nach der endgültigen Modellierung steigt der Berg von Osten her flach an und fällt an der Westseite steil ab.
Ideenwettbewerb 1986
Die Stadtverwaltung schrieb 1986 einen öffentlichen Ideenwettbewerb zur künstlerischen Gestaltung des Wallbergplateaus aus. Insgesamt 123 Arbeiten wurden eingereicht und vier Preise vergeben. Eine kontroverse öffentliche Debatte verhinderte jedoch eine Realisierung des Projekts.
Gedenkstätte und Mahnmal
Am Ostrand der Plattform wurde 1989 eine Gedenktafel aufgestellt. Seit 2005 erinnern fünf weithin sichtbare Stelen auf dem Plateau an die Zerstörung Pforzheims. Die Stelen wurden auf Initiative des Vereins "Pforzheim mitgestalten" errichtet und von Bürgerinnen und Bürgern gestiftet. Sie sind mit Bildern versehen, die Motive vom alten, vom zerstörten und vom modern wieder aufgebauten Pforzheim zeigen.
Quellenverzeichnis
- 1. Ramp, Gustav; Webel, Oskar (1915-1920): Pforzheim im Weltkrieg, seine Söhne und Helden : Ein Gedenkbuch mit Ehrentaf. d. Opfer u. d. Anteils d. Stadt Pforzheim im Weltkrieg.
Hrsg. von Donatus Weber. Pforzheim : D. Weber, 1915-1920, 550 S. ; 4 : mit Abb., Taf., XII S.
Signatur: O66 C 1
URN: urn:nbn:de:bsz:31-38003
Digitalisierung: Karlsruhe : Badische Landesbibliothek, 2013
Enthält historische Aufnahmen der Fliegerwache am Wallberg (S. 45).