Nachkriegszeit in Maihälden – Wiederaufbau, Wohnungsnot und der Weg zur modernen Gemeinde (1945-heute)
Die Nachkriegszeit brachte für Maihälden eine Zeit des Umbruchs und Neubeginns. Wohnungsnot, wirtschaftlicher Aufschwung durch die Firma Fahrländer und die Entwicklung zur modernen Wohngemeinde prägten diese Ära.
Firma Erwin Fahrländer
Geschichte des Standorts an der Kelterstraße
Das Gelände an der Kelterstraße wurde bereits 1895 erstmals industriell genutzt. Die Geschichte des Standorts ist geprägt von verschiedenen Chemieunternehmen, die das Gelände zu einer der größten kontaminierten Flächen Baden-Württembergs machten. "Fettwaren Schmied" war das erste Unternehmen, das das Gelände an der Kelterstraße industriell nutzte. Später etablierte sich die chemische Firma "Dr. Jo Mayer" auf dem Gelände und begann mit der Produktion. Im Jahr 1922 erweiterte "Dr. Jo Mayer" die Anlagen und begann mit der Produktion von "Polierrot" für Stahl und Glas. Die Firma Fahrländer übernahm den Standort 1937 und spezialisierte sich auf die Verarbeitung organischer Substanzen.
Luftbild Maihälden aus Ende 1960er Jahren
Historische Luftaufnahme aus den späten 1960er Jahren - Blick auf Maihälden und das Fahrländer Gebiet
Hier erkennt man die Struktur gut aus Gärten, Feldern und punktueller Bebauung.
Luftbild Brötzingen und Maihälden 1968
Historische Luftaufnahme aus dem Jahr 1968 - zeigt das weitgehend verwilderte Maihäldengebiet
Man kann das weitgehend verwilderte Maihäldengebiet erkennen. Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg EL 68 IX Nr 3711 [Bestellsignatur]
Fahrländer Gelände
Historische Aufnahme des Fahrländer Geländes an der Kelterstraße
Diese historische Aufnahme zeigt das Fahrländer Gelände an der Kelterstraße mit seinen industriellen Gebäuden und der umgebenden Infrastruktur. Das Gelände war über Jahrzehnte Standort für chemische Produktion und prägte die industrielle Entwicklung der Region.
Fahrländer Areal und Kelterstraße in den 1940er Jahren
Historische Aufnahme aus den 1940er Jahren - Blick auf das Fahrländer Areal und die Kelterstraße
Diese historische Aufnahme aus den 1940er Jahren zeigt das Fahrländer Areal und die Kelterstraße in ihrer ursprünglichen industriellen Nutzung. Das Bild dokumentiert die frühe Phase der chemischen Produktion und die damalige Infrastruktur des Standorts.
Fahrländers Produktionsprogramm
Die Firma Fahrländer spezialisierte sich auf die Verarbeitung organischer Substanzen und produzierte eine Vielzahl chemischer Produkte, die zu erheblichen Umweltbelastungen führten. Zu den Hauptprodukten gehörten die Verarbeitung von Altölen und Lacklösemitteln, die Produktion von Farben und Verdünnern, die Regenerierung chlorierter Kohlenwasserstoffe (CKW) und die Destillation chemischer Substanzen. In der Blütezeit produzierte Fahrländer täglich 1 bis 2 Tonnen Lösungsmittel und chemische Produkte. Bis in die 1960er Jahre wurde fast ein Prozent des anfallenden Chlorwasserstoffs in einer Erdgrube entsorgt, was zu schwerwiegenden Umweltbelastungen und Bodenkontaminationen im gesamten Gelände führte.
Fahrländer Gelände 1968
Historische Aufnahme aus dem Jahr 1968 - zeigt das Fahrländer Gelände während der Produktionszeit
Man sieht dort verschiedene Fässer, die für die chemische Produktion und Lagerung der hergestellten Substanzen verwendet wurden.
Fahrländer Gelände Luftbild 1968
Luftaufnahme aus dem Jahr 1968 - Das Fahrländer Gelände aus der Vogelperspektive
Diese Luftaufnahme aus dem Jahr 1968 zeigt das Fahrländer Gelände aus der Vogelperspektive. Man erkennt die industrielle Struktur des Geländes mit den verschiedenen Gebäuden und Anlagen, die für die chemische Produktion genutzt wurden. Das Luftbild dokumentiert die Ausdehnung des kontaminierten Geländes während der aktiven Produktionszeit.
Quelle
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Ludwigsburg:
Landesvermessungsamt Baden-Württemberg: Landesbefliegung Baden-Württemberg 1968 - Luftbilder und digitales Orthophoto
Bestand: EL 68 IX
Bestellsignatur: Staatsarchiv Ludwigsburg EL 68 IX Nr 3711
Titel: Luftbild: Film 2 Bildnr. 427
Laufzeit: 1968
Maßstab: 1 : 12.000
Permalink zum Archiv
Schwere Umweltbelastungen
Die jahrzehntelange chemische Produktion führte zu verheerenden Umweltauswirkungen. Das Gelände nördlich der Baumannbrücke wurde zu einer der größten kontaminierten Flächen Baden-Württembergs und prägt bis heute die Umweltgeschichte der Region. Giftige Schadstoffe drangen tief in den Boden ein und kontaminierten das gesamte Gelände nachhaltig. Chemikalien gelangten ins Grundwasser und bedrohten die Trinkwasserversorgung der Region. Selbst Betonstrukturen wurden durch die aggressiven Chemikalien durchlässig und mussten saniert werden. Die Kontaminationen wirken bis heute nach und erfordern aufwendige Sanierungsmaßnahmen.
Produktionsende 1986
Die Firma Fahrländer stellte 1986 die Produktion ein. Nach fast 50 Jahren chemischer Produktion wurden in der Folgezeit verschiedene Gebäude auf dem Gelände abgerissen, aber die Umweltbelastungen blieben bestehen. Das Gelände blieb als kontaminierte Fläche bestehen und entwickelte sich zu einem Wohngebiet. Die Umweltbelastungen wirken bis heute nach und erfordern kontinuierliche Überwachung und Sanierung.
Fahrländer Gebiet in Maihälden in den 1980er Jahren
Luftaufnahme aus den 1980er Jahren - Das Fahrländer Gebiet kurz vor dem Produktionsende
Diese Luftaufnahme aus den 1980er Jahren zeigt das Fahrländer Gebiet in Maihälden kurz vor dem Produktionsende 1986. Das Bild dokumentiert die letzte Phase der industriellen Nutzung und zeigt die Ausdehnung des kontaminierten Geländes vor der Stilllegung.
Fahrländer Gelände 2006
Zufahrt zum ehemaligen Fahrländer Gelände vor der Bebauung mit Reihenhäusern
Das Fahrländer Gelände wurde saniert und konnte von zwei Seiten erreicht werden - westlich und östlich. Mehrere Male pro Jahr wurden dort Arbeiten vorgenommen, hauptsächlich im Zusammenhang mit der Grundwasserreinigung.
Dokumentation der Sanierung
Die erste Aufnahme zeigt die Zufahrt zum Gelände, die zweite das verwilderte Gelände mit Spuren von Fahrzeugen, die dritte dokumentiert die tatsächlichen Arbeiten am Gelände mit Baumaschinen bei der Sanierung, und die vierte gibt einen Überblick über das verwilderte Gelände mit den technischen Anlagen zur Grundwasserreinigung.
Zustand und Sanierungsarbeiten
Das Gelände war damals noch nicht bebaut und zeigte den natürlichen Zustand nach der Stilllegung der Produktion. Die Sanierungsarbeiten mit schwerem Gerät und die dauerhaft installierte Technik zur Grundwasserreinigung waren notwendig, um das ehemals kontaminierte Gelände für die Wohnbebauung vorzubereiten.
Bebauung ab 2012
Heute ist das Gelände mit Reihenhäusern überbaut, die ca. 2012 errichtet wurden.
Das hier abgebildete Gebäude steht bis heute und ist im Betrieb im Zusammenhang mit der Reinigung des Grundstücks.
Bebauungsplan Teilgebiet Maihälden
Stadtplanung für Maihälden (1984)
Am 28. Februar 1984 beschloss der Stadtrat von Pforzheim, einen Bebauungsplan für das Teilgebiet "Maihälden" aufzustellen. Der Plan umfasste den Bereich "Wildgrund" und sollte die bestehende Bebauung ergänzen und weitere Siedlungsentwicklung ermöglichen.
Bürgerbeteiligung
Die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 2a Abs. 2 BBauG fand vom 16. April bis 4. Mai 1984 statt.
Planungsgebiet
Das Planungsgebiet umfasste den "Wildgrund"-Bereich mit dichtem, geschwungenem Straßennetz. Die Grenzen des Plans waren im Norden die Wildbader Straße, im Osten der Weg von der Braunauerstraße, im Süden die Bebauung der Flurstücke 1231/1 und 1231/3, und im Westen der Weg von der Baumannbrücke, nördlich der Kelterstraße.
Ziel der Planung
Das Ziel der Planung war die Ergänzung der bestehenden "Maihälden"-Baufläche und die Ermöglichung weiterer Siedlungsentwicklung.
Die Erschließung beginnt
Baubeginn in Maihälden (1987-1988)
Um den 7. Februar 1987 haben die Erschließungsarbeiten in Maihäldens westlichen Gebieten begonnen. Zunächst standen notwendige Kanalarbeiten an, die den Grundstein für die weitere Entwicklung legten.
Flurstruktur in Maihälden Wildergrund (1980er Jahre)
Dokument aus den 1980er Jahren - zeigt die Flurstruktur und Entwicklung des Wildergrunds
Man erkennt im Gewann Wildergrund größere Flurstücke sowie historische Wege. Rechts, "In den Maihälden", bereits umgelegte Flure und einsetzende Bebauung. Die Quelle des Dokuments ist das Tiefbauamt.
Baumschlag und Umweltauswirkungen
Mitte 1988 nahm die Zahl zum Verkauf angebotener Grundstücke in Maihälden mit jedem darauffolgenden Jahr stark zu. Die Entwicklung ging jedoch mit erheblichen Umweltauswirkungen einher.
Massiver Baumschlag
Bis Ende November 1988 wurden rund 190 Bäume gefällt, während nur 57 neue Bäume gepflanzt wurden. Im Hofklamm-Gebiet blieben von 100 Bäumen nur fünf übrig - ein massiver Kahlschlag für die Bebauung.
Kontroverse um den Bebauungsplan
Laut der Pforzheimer Zeitung vom 15.12.1988 wäre der Bebauungsplan für das Hofklamm-Gebiet abgelehnt worden, wenn es zur Gemeinderatsentscheidung gekommen wäre. Gründe hierfür seien zu breite Gehwege und der massive Kahlschlag von Bäumen gewesen. Nach der Schmälerung der Gehwege war eine Mehrheit in Aussicht. Kurz darauf wurde der Bebauungsplan beschlossen und die Bebauung des Hofklamm-Gebiets begann umgehend.
Wohnungsnot und ihre Folgen
Die Wohnungsnot der 1980er und 1990er Jahre
Die gegenwärtige Wohnungsnot in Deutschland ist in aller Munde – auch in Pforzheim ist sie ein zentrales Problem. Es ist daher interessant, in den Jahrzehnten zurückzublättern: Wie sah die Wohnraumsituation früher aus?
Falsche Prognose 1984
Im Jahr 1984 gab Siegbert Frank (CDU) bekannt: "Eine Sättigung des Wohnungsmarktes ist in Sicht" - doch diese Aussage war nur teilweise korrekt. 1984 zählte die Stadt rund 1000 Wohnungssuchende, diese Zahl erhöhte sich mit jedem Jahr. Die Situation für Behinderte, Senioren und Familien mit vielen Kindern blieb angespannt.
Bevölkerungsentwicklung
Während 1985 in Pforzheim noch 104.184 Menschen lebten, waren es zehn Jahre später, 1995, bereits 118.763 – Das ist ein Plus von knapp 15.000 Einwohnern in nur zehn Jahren. 1987 erreichte die Bevölkerungsentwicklung Pforzheims ihr vorzeitiges Maximum mit +2,3% Bevölkerungszuwachs.
Zustrom von Aussiedlern und Flüchtlingen
Ursache der Wohnungsnot war vor allem der starke Zustrom deutschsprachiger Aussiedler aus dem ehemaligen Ostblock. Baden-Württemberg rief ein Sonderprogramm zum Bau von Wohnungen für Spätaussiedler ins Leben. Ab 1989 verschärfte sich das Problem massiv. Zu Aussiedlern kamen viele Flüchtlinge aus Südosteuropa hinzu. Gegen Ende 1989 waren rund 3000 Menschen auf eine neue Wohnung angewiesen. Die Wohnsituation war besonders kritisch.
Diese Aufnahme aus dem Jahr 1995 zeigt die Bebauung mit Mehrfamilienhäusern an der Ecke Bodelschwinghstraße/Kelterstraße durch die Pforzheimer Grund und Bau GmbH. Die Bebauung entstand als Reaktion auf die Wohnungsnot und den dringenden Bedarf an Wohnraum in Maihälden.
Bebauung Bodelschwinghstraße/Kelterstraße 1995, Pforzheimer Grund und Bau GmbH
Soziale Herausforderungen und Chancen
Mangelhafte soziale Infrastruktur
Die Lukasgemeinde stellte im Gespräch mit Einwohnern die mangelhafte soziale Infrastruktur Maihäldens fest. Es fehlte beispielsweise an einer Tafel für stadtteilweite Bekanntmachungen oder an Treffpunkten. Vor allem in einwohnerreichen Stadtteilen wie Maihälden sind solche Angebote jedoch unverzichtbar, um zu verhindern, dass sich der Stadtteil sozial isoliert und eine Gettoisierung eintritt.
Wegzüge und negative Wahrnehmung
Im Mai 1995 berichtete die Pforzheimer Zeitung über Wegzüge aufgrund der schlechten sozialen Lage. Ein Bewohner nannte den Stadtteil "Gaza-Streifen" statt "Riviera Brötzingens". Friedrich-Franz von Massow (Planungsamt) sagte: "Ein solches Baugebiet bleibt stets über Jahre hinweg ein Problemgebiet". Die bestehenden Probleme waren über Jahre bekannt und wurden von Kirchengemeinden, Parteien und Unabhängigen Bürgern benannt.
Punktuelle Verbesserungen
1995 wurde ein Bolzplatz im Westen Maihäldens gebaut. Die Gesamtsituation blieb jedoch kritisch.
Bürgerproteste 1996
Das führte im Jahr 1996 zu massiven Bürgerprotesten, beispielsweise mit großflächigen Plakaten auf der Baumannbrücke. Die Probleme hätten so weit geführt, dass sich Einwohner wie im "Ghetto" fühlen würden. Einige erwägten den Wegzug oder seien bereits weggezogen.
Fehlende Infrastruktur
Statt Einkaufsmarkt, Kindergarten und Gemeinschaftszentrum stand das verdichtete Bauen im Mittelpunkt. Die schlechte soziale Situation führte so weit, dass teilweise Wohnungen leerstanden und Investoren insolvent wurden. Die Bahngleise wurden als Trennlinie zwischen Maihälden und Brötzingen empfunden.
Gescheiterte Investitionspläne
Dabei gab es durchaus zukunftsträchtige Pläne: Ein privater Investor plante auf einem städtischen Grundstück, das zentral im Stadtteil gelegen war, einen Lebensmittelmarkt mit Friseur, Lebensmittelmarkt sowie Kindergarten auf dem Dach. Diese Pläne scheiterten jedoch.
Gegenwart
Maihälden heute
Der Stadtteil ist heute gekennzeichnet durch punktuelle Nachverdichtung. Die Bauaktivität hat nach stärkerer Bebauung durch insbesondere Reihenhäuser in den 2000er und 2010er Jahren nachgelassen.
Es handelt sich inzwischen um einen gewachsenen und sozial stabilen Stadtteil, der sich hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur durch eine recht junge Bevölkerung auszeichnet, viele Familien und einen höheren Migrationshintergrund.
Zu sehen ist eine grüne Lücke in Maihälden. Solche unbebauten Flächen prägen noch immer das Bild des Stadtteils und zeigen, dass trotz der intensiven Bebauung in den vergangenen Jahrzehnten noch Raum für Grünflächen und Freiräume vorhanden ist.
Grüne Lücke in Maihälden - Gegenwart
Jüngere Bauaktivität
Die jüngere Bauaktivität in Maihälden konzentriert sich auf verschiedene Bereiche: rund um die Igor-Strawinski-Straße, insbesondere auf Grundstücke nördlich der Straße, auf Bauvorhaben östlich der Kurze Steig beziehungsweise nördlich der Martin-Niemöller-Straße, sowie punktuelle Bauvorhaben beispielsweise an der Bonhoefferstraße (durch Abriss eines älteren Mehrfamiliengebäudes südöstlich des Weststadtparks) im Gewann Hofäcker, sowie entlang der Bodelschwinghstraße und Siegfriedstraße.
Bauaktivität in Maihälden - Gegenwart
Auf diesem Bebauungsplan des Erschließungsgebiets Hofklamm kann man die historische Flurstruktur sowie zusammengelegte Flurstücke vorbereitend für die Wohnbebauung erkennen. Die Karte zeigt, wie die ursprüngliche landwirtschaftliche Parzellenstruktur in eine moderne städtische Bebauung überführt wurde.
Erschließungsgebiet Hofklamm - historische Flurstruktur und zusammengelegte Flurstücke